Lieblingsstücke nach Wunsch und Maß

Made in Bremen: Unternehmerin Christiane Kückelmann legt mit „My Pulli“ viel Wert auf Nachhaltigkeit.

Weser Kurier: 17.10.21, von Anke Velten

Bremen. Es sind ganz einfach Pullover, zeitlos klassisch, ohne Schnickschnack. Und doch ist jedes Stück einmalig. Das Bremer Label My Pulli liefert nämlich Strickbekleidung, die auf den Millimeter genau und bis ins Detail auf die Wünsche der Trägerinnen und Träger zugeschnitten wird. Bei der Unternehmensgründung vor 14 Jahren hatte Christiane Kückelmann zunächst an Kundschaft gedacht, die nicht in die gängigen Konfektionsgrößen passt. Doch es kam eine weitere Zielgruppe dazu: Kunden, denen es nicht egal ist, woraus, wo, wie und von wem ihre Bekleidung gemacht wird. Wie konsequent Nachhaltigkeit in ihre Produkte verstrickt ist, kann die Unternehmerin jetzt mit Brief und Siegel belegen – und zwar mit dem Siegel des Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Das gilt als nachweisliches Zeichen des Vertrauens, dass hier mit großer Achtsamkeit für Umwelt und Menschen gearbeitet wird. Auf der Homepage www.mypulli.de können Pullover, Pullunder, Strickjacken, Cardigans, Schals und Mützen Schritt für Schritt online selbst gestaltet werden: entweder in einer von insgesamt 54 Standardgrößen oder im ganz individuellen Format. Wer sich das nicht zutraut, kann sich helfen lassen. Seit Jahren arbeitet Christiane Kückelmann dafür mit Modedesignerin und Schnittdirektrice Nicola Hübotter zusammen, die in ihrem Atelier am Wall einen Maßservice anbietet. Zur Auswahl stehen mehrere Schnittformen, unterschiedliche Kragenvarianten, Bündchen, auf Wunsch auch Kontraststreifen oder Logos. Und natürlich die zertifizierten Grundstoffe in verschiedenen Webarten und vielen Farben. Sie stammen sämtlich von europäischen Partnern, von deren Qualitätsarbeit und ökologischen, sozialen und ethischen Standards sich die Auftraggeberin überzeugt hat. Die Baumwoll-Acryl-Mischung sei aus deutschem Garn gefertigt, die ägyptische Mako-Baumwolle werde in Italien zu Stoffen von großer Farbbrillanz gewebt. Und die kuschelweiche Merinowolle – Favorit der norddeutschen Kundschaft – liefere die letzte Manufaktur Italiens, in der noch unter einem Dach gesponnen, gefärbt und gewebt werde. Der italienische Kaschmir-Lieferant kooperiere mit einem Ziegenzüchter in den eiskalten Höhen der Inneren Mongolei. Von dort gebe es den besten und feinsten Kaschmir. Zudem werde aufs Tierwohl viel Wert gelegt. Zu Kleidungsstücken werden die Stoffe in einer kleinen familiengeführten Strickerei an der ungarisch-rumänischen Grenze, die Kückelmann seit 15 Jahren kennt und regelmäßig besucht. Jedes Teil kommt formgestrickt aus der Strickmaschine. „Fully Fashioned“ bedeutet: ohne den Materialabfall, der bei einem Zuschnitt anfallen würde. „Auch das spart Ressourcen“, erklärt Kückelmann. Warum sie die Produkte nicht in der Nähe fertigen lasse? Die Einzelanfertigung sei für die Betriebe mit extrem hohem Aufwand verbunden. „Für jedes einzelne Teil muss die Strickmaschine neu eingestellt werden. Ich habe in ganz Deutschland angefragt. Die meisten haben abgewunken. Der Rest hat sich erst gar nicht zurückgemeldet.“ Weil sämtliche Produkte ohne Zwischenhändler eingekauft werden, bleiben die Preise durchaus konkurrenzfähig.

„Für jedes einzelne Teil muss die Strickmaschine neu eingestellt werden.“

Christiane Kückelmann

Das Premiumprodukt aus Kaschmir koste, was ein Stück aus diesem wertvollen Rohstoff kosten müsse. 100 Euro sind es im Konfigurator zusätzlich, wenn die Option gewählt wird. „Eine Kaschmirziege liefert pro Jahr maximal 200 Gramm Wolle. Es ist unerklärlich, für welche Preise Kaschmir in manchen Geschäften angeboten wird“, sagt Kückelmann. Die Idee für My Pulli entstand aus persönlichem Leidensdruck, erklärt die gebürtige Sauerländerin, die seit mehr als 35 Jahren in der Textilbranche tätig ist und ihren Beruf von der Pike auf gelernt hat, zunächst mit einer Ausbildung beim Traditionsunternehmen Falke. Mit dem Maßband sei sie früher durch die Geschäfte gezogen, um für den Ehemann – zwei Meter lang und schlank – Oberbekleidung zu finden. „Da nahm man dann einfach irgendwas. Hauptsache, es passte.“ Seit zehn Jahren wird Herr Kückelmann nun nicht nur mit Stricksachen ausgestattet, sondern auch mit Maßhemden der Marke Privatvergnügen, die zeitgleich mit My Pulli lanciert wurde. Ihren Kundinnen und Kunden Produkte von perfekter Passform, hochwertiger Qualität und Verarbeitung anzubieten, das war nur ein Teil der Motivation, mit der Christiane Kückelmann ihr Label gründete. „Ich will die Kontrolle darüber haben, wo, wie und unter welchen Bedingungen meine Produkte angefertigt werden“, sagt die gelernte Schnitttechnikerin und studierte Diplomingenieurin für Bekleidungstechnik, die sich vor zwanzig Jahren mit ihrem Unternehmen Linear selbstständig machte. Seither entwickelt sie für internationale Textilunternehmen technische Unterlagen, berät bei Textiltechnik, Passform- und Qualitätsfragen und besucht dabei Produktionsstätten auf der ganzen Welt.

„Ich will die Kontrolle darüber haben, wo und wie meine Produkte angefertigt werden.“

Christiane Kückelmann

Der Kundenkreis von My Pulli ist längst über die Region hinausgewachsen. „Viele Bestellungen kommen aus Städten wie Frankfurt, München und Köln“, erzählt die Unternehmerin. Eine ganze Kollektion in den maritimen Vereinsfarben wurde kürzlich von einem Hamburger Segelklub geordert. Zu den Auftraggebern gehören auch Firmen, die ihre Mitarbeiterschaft ausstatten wollen. Hin und wieder treffen bei der Bremerin auch Päckchen ein – anbei die Bitte, genau diesen nach vielen Jahren müde gewordenen Liebling nachzuschneidern, weil sich das exakte Modell partout nirgendwo mehr finden lasse. So etwas seien nicht einfach nur Pullover, sagt Christiane Kückelmann: „Das sind Stücke fürs Leben.“

Nichts von der Stange

Unternehmenszentrale von „My Pulli“ ist das Dachgeschoss eines Wohnhauses in der Nähe des Osterdeichs. Von der Stange gibt es hier nichts zu kaufen. Hergestellt wird ausschließlich, was bestellt wird. „Zehn Prozent aller produzierten Textilien gelangt nie zu den Verbrauchern“, erklärt Christiane Kückelmann. Pro Jahr seien das 250 Millionen Kleidungsstücke, die im Handel unverkauft bleiben und schließlich als Abfall entsorgt werden. Die Produktion je nach Bedarf garantiert nicht nur, dass kein Überschuss produziert wird. Bei Kundschaft, die sich vier bis sechs Wochen geduldet, bis ihr Unikat geliefert wird, ist davon auszugehen: Solche Stücke werden wertgeschätzt und mehr als eine Saison getragen.